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Tschechisches Glashandwerk: Hinter den Mauern der traditionellen Glashütten

Tschechisches Glashandwerk: Hinter den Mauern der traditionellen Glashütten

Wir hier

»Tauchen sie ein, in die faszinierende Welt der Glasherstellung. Entdecken sie die Schönheit und künstlerische Meisterschaft, die damit einhergeht. In diesem Artikel reisen wir in die malerischen böhmischen Berge, wo es ein geheimnisvolles Tal voller familiengeführter Glashütten und Meister des Handwerks gibt. Wir werden die reiche Geschichte und die Traditionen rund um das Glas in dieser Region erkunden. Die leidenschaftlichen Künstlertreffen, die mit ihren Händen lebendige Glasschätze schaffen. Machen sie sich bereit, für eine faszinierende Reise, in eine Welt der Formen, Farben und persönlichen Schicksalen, die eine Symphonie aus Glas erklingen lassen.«

Als wir in die Werkstatt treten, schlägt uns warme Luft entgegen. Glashütten sind im Winter das, was Museen im Sommer sind. Männer in T-Shirts, kurzen Hosen und in Sandalen laufen herum. Aus drei Öfen leuchtet es weiß und grell. Auf Metallböcken werden an langen Glasmacherpfeifen rotglühende Formen gedreht. Bester Platz zu dieser Zeit.

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An diesem Morgen sind Sven und ich mit David Pastva, dem Leiter von Crystal Valley, verabredet. Er hat sich vorgenommen, die Glashütten aus dem Lausitzer Gebirge und dem Riesengebirge in der Welt bekannter zu machen und heute wird er uns ein paar der kleineren Familienbetriebe rund um Nový Bor vorstellen. Jede dieser Glashütten pflegt das traditionelle Handwerk der Glasmacher auf ihre eigne Weise.

Inzwischen hat Jiří Pačinek die elliptische Form beiseitegelegt und zeigt auf eine Palette mit fertigen Teilen: „Das wird ein Leuchter für ein Hotel. Er bestehend aus mehreren dieser ovalen Grundformen, wobei eine jede mit einer eignen Oberfläche und Farbe gestaltetet ist.“ Jiří Pačinek ist der Kopf der Pačinek Glashütte in Kunratice bei Cvicov. Mit einigen langjährigen Kollegen und seiner Familie hat er die alte Motoren- und Traktorenhalle 2015 zur Glashütte ausgebaut. Seine erste eigene Werkstatt am Wohnhaus in Lindava platzte aus den Nähten. „Hier habe ich nicht nur mit all meinen Kollegen Platz zum Arbeiten. Neben Büro und Küche ist im Dachgeschoss auch Raum für einen Showroom.“

Die drei Öfen werden mit Gas beheizt. Der Kühlofen läuft elektrisch. Die Glashütte ist modern eingerichtet. Das ist natürlich sehr komfortabel. Heute. Früher hätten dafür täglich etliche Kubikmeter Holz verheizt werden müssen. Das langsame Abkühlen der fertigen Glasstücke war sehr problematisch.

Einer, der die Geschichte der Glashütten in Böhmen und die der technischen Entwicklungen sehr gut kennt, ist Jiří Haidl in Svojkov. Bereits während des Studiums zum Glasbläser hat er sich sehr stark für die Geschichte interessiert. Von ihm erfahren wir, dass Glashütten in Nordböhmen seit Beginn des 15. Jahrhunderts bekannt sind. Vermutlich gibt es sie in der Gegend noch länger. Hier fanden sie, was man für die Glasherstellung braucht, den richtigen Sand und ausreichend Holz. Quarzsand mit der natürlichen Beimengung von Kalk. Als Pflanzenasche diente die Asche der Buchen. Sie hatten ihre Hütten in den Wäldern rund um Nový Bor. Wenn das Holz ausging, machte die Glashütte dicht und wurde an anderer Stelle im Wald neu errichtet. Selbst für die Händler war es nicht immer einfach, sie zu finden. 
 

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Jiří Haidl folgt als Glasbläser seinem Faible für das traditionelle Handwerk. In der Sklárna Svojkov fertigt er gemeinsam mit seinem Sohn, Jakub Haidl, Gläser nach historischen Vorlagen. Und entsprechend verwendet er das grünlich und bläulich schimmernde Glas, da im Sand sind meist Spuren von Eisenoxid enthalten waren. Früher konnten diese nicht herausgefiltert werden. Das kristallklare Glas kam erst später mit den Brüdern Johann und Wenzel Fischer in die Region, die nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Venedig und nach vielem Experimentieren 1711 das berühmte Turnover Glas präsentieren konnten. Aber das ist lediglich eine der Geschichten zur Geschichte der Glasherstellung in Nordböhmen.

Jiří Haidl hat auf seinen Reisen durch Europa und in der Zusammenarbeit mit Museen Gläserformen aus den verschiedenen Regionen und Epochen zusammengetragen, hat gemeinsam mit Historikern und Archäologen Techniken und Glaszusammensetzungen erforscht. „Im Vergleich zu den italienischen Glasherstellern verwenden wir im Norden kaltes Glas. Es muss schnell verarbeitet und zwischendurch oft erhitzt werden.“

Und während wir über Glasherstellung und Techniken sprechen, folgen viele sehr geschickte Handgriffe aufeinander. Ein Glas nach dem anderen entsteht. Das Zählwerk mit den Holzperlen an der Wand zeigt 22. Nach all den Durchläufen lassen sich die nächsten Schritte und das Werkzeug, welches als nächstes zum Einsatz kommt, im Voraus erahnen. Jetzt wird ein glühender Rohling angeblasen. Ein kurzes Rollen auf einem Metalltisch. Ein kurzer Schwenk nach oben, wieder ein bisschen nachgeblasen. Inzwischen wird die aufgeklappte Form bereitgehalten. Darin wird der Rohling in die vorgesehene Form geblasen. Vater und Sohn sind perfekt aufeinander eingespielt. Das Ganze hat etwas Tiefenentspanntes.

Inzwischen bringt Frau Haidl Wasser und Gebäck und während ich so stehe und mein Blick hinaus über das Land schweift, wird mir bewusst, dass ich ein ebensolches der Trinkgläser in der Hand halte, die hier gerade entstehen. Geschaffen durch die Hände der zwei Glasbläser und ihre Fertigkeiten, durchdacht und mit dem geballten Wissen aus Jahrhunderten.

In der Werkstatt der Haidls entstehen Gläser nach Vorlagen der Kelten, aus der Renaissancezeit, vom böhmischen Königshof und den Wikingern. Wikingergläser sind besonders in Skandinavien gefragt. Unter ihnen sind auch die einzigen mehrfarbigen Gefäße. Sechzig Prozent der Produktion der Sklárna Svojkov geht in den Norden Europas.

Soeben wird mit der Schere wieder ein aus dem Ofen geholter Glaspfropfen in die Länge gezogen. Das spitze Ende wird am Boden des fertigen Glaskörpers angeheftet. Durch das Drehen löst sich ein gleichmäßiger Faden aus der glühenden Masse heraus. Aufgerollt entsteht der Fuß des Trinkbechers. Das wirkt leicht. Und ist doch mit sehr viel Erfahrung und Geschick verbunden. Kurz darauf steht der Becher bereits fertig da und wird in den Abkühlschrank gestellt. Wir erfahren, dass dessen Temperatur nur 30 Grad kühler sein darf als die Verarbeitungstemperatur des Glases. Bei einer Temperatur darüber würde das Gefäß zusammenfallen. Darunter kann das frisch geformte Glas leicht reißen, da es Spannungen aufweist.

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Jiří Pačinek © Sven Müller

Anders als bei den Haidls arbeiten die Glaskünstler in der Pačinek Hütte nach eigenen Entwürfen. Jiří Pačinek liebt Formen aus der Natur, lässt sich auf Spaziergängen von ihr inspirieren. Am liebsten fertigt er Tiere. So fallen im Showroom im Dachgeschoss auch die kunstfertigen Darstellungen von Tieren auf, wobei Pferde einen besonderen Platz einnehmen. In letzter Zeit haben es ihm allerdings die Meeresbewohner angetan. Fische, Wasserpflanzen. An der Decke hängt eine Lampe in Quallenform. Das sind überwiegend seine Arbeiten. „Aber“, wirft er ein, „meist sind es Gemeinschaftswerke.“ Jemand hat eine Idee oder ein Kunde kommt mit einer Vorstellung zu ihm und dann tüfteln er und seine Kollegen an Vorlagen und an Techniken. Bis das Vorhaben steht. Dann dauert es noch einmal bis zu einem halben Tag, bis die Werkstatt eingerichtet ist, die Vorbereitungen abgeschlossen sind und es tatsächlich losgehen kann.

Und mit dieser Glasmacherfamilie ist die Glashütte und darum herum ein Garten entstanden, eine Welt aus Glas. „Anfangs haben wir nur zerbrochene oder nicht abgeholte Gegenstände aus Glas in den Vorgarten gestellt, weil wir sie nicht wegwerfen wollten. Später haben wir den Garten bewusst angelegt. Sträucher gesetzt. Bäume gepflanzt.“ Inzwischen ist der Garten wie zu einem Freiland-Showroom angewachsen. Bläulich schimmernde Blasen wiegen sich im Wind, klirren leise aneinander. Ein Weg windet sich vom Traumzauberbaum hinunter, vorbei an aufragenden Eiskristallen und immer neuen Sträuchern und riesigen blauen Blüten bis zu den Flamingos im jetzt ausgetrockneten Flussbett. „Im Frühjahr und im Sommer gehen die Kreationen aus Glas mit der Natur zusammen. Jetzt dominieren die Pflanzen aus Glas. Manchmal verpflanzen sie einige Stücke in die Gärten von Kunden. So wird Platz für neues und der Garten wandelt sich mit der Zeit.“ Er sieht die Glashütte und den Ort als Gesamterlebnis. „Aus Sicht der Besucher soll es schön sein, zu einem Tagesausflug einladen.“

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Und in anderen Zeiten kommen durchaus viele Besucher, Reisegruppen und Familien. Inzwischen ist auch ein Nachbar mit eingestiegen und vermietet neben dem Garten Ferienwohnungen. Ein anderer Nachbar ist seinem Beispiel gefolgt und hat ebenfalls sein Haus renoviert. „Ich habe ein bisschen Angst, dass ich das Dorf überrolle, weil sich hier mit der Glashütte soviel verändert.“ Und tatsächlich finden sich beim Gang durch den Ort weitere Plastiken und zahlreiche Details aus Glas. Am Eingang zur Kirche steht ebenfalls ein Baum aus weißem Glas. Auf Zaunsäulen vor der Kirche stehen Kerzenhalter, die Lampe über dem Eingang ist zu einer Blume geformt. Und die Kirche selbst beherbergt eine Kunstsammlung aus Gemälden, Plastiken und Gefäßen aus Glas. Eine fantasievolle Welt – schön und inspirierend.

Es sieht so aus, dass das Miteinander gelingt. Die Menschen sprechen von ihrer Kirche und sie kommen gern in der Werkstatt vorbei – auch die Kinder. „Ich hoffe, dass ich von denen ein paar begeistern kann, wie ich damals in meiner Kindheit begeistert wurde. Eigentlich war ich Ringer, griechisch-römischer Stil. Und dann zeigten sie im Fernsehen diese Serie. ,Jakub, der Glasmacher´. Ich habe alle Teile gesehen. Und dann hat mich ein Freund nach Nový Bor eingeladen und wir waren in einer der Glashütten. Und da stand fest, ich werde Glasmacher. Naja, und mit 15 ging ich dann in die Lehre.“ Und während er redet, spürt man, dass von seiner Begeisterung nichts verloren gegangen ist.

Einer, der auch nach der Wende als selbstständiger Glasmacher begonnen hat, ist Petr Červený. Bis ´94 hat er in einer der Glasfabriken in Nový Bor gearbeitet. Einige seiner Kollegen sind dort geblieben. Er selbst hat die Chance genutzt und die Florianova Hut´ in Častolovice gegründet. Heute kennt er sich mit zahlreichen Macharten, mit Glasarten und Herstellungsverfahren aus unterschiedlichen Epochen aus. Und damit nicht genug. Er beschäftigt in seiner Glashütte Zinngießer und Glasschleifer, mit deren Hilfe selbst aufwändige Figuren, Kombinationen aus Metall und Glas, möglich sind.

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Żyrandole sufitowe w Elbphilharmonie (Filharmonia nad Łabą) w Hamburgu powstały m.in. w hucie Florianova. © Sven Müller

Während wir nach einem Abstecher in die Schleiferei vom Büro übers Lager hinüber in die Zinnwerkstatt und nach einem Zwischenstopp vor einer Vitrine schließlich in das Herz der Glashütte gelangen, wird klar, es gibt keine Herausforderung, die Petr Červený scheut. So ist es für ihn auch schwierig zu beschreiben, was die Florianova Hut´ alles herstellt. Unter Jugendstilamphoren, klassizistischen Schalen, Petroleumlampen unterschiedlichster Herkunft finden sich Gebrauchsgläser aller Art. Aufwändige Leuchter, Art Déco-Vasen, futuristische Wandlampen, Bierkrüge für ein Jubiläum, Sonderaufträge aus aller Welt, es gibt wohl nichts, was er nicht macht. In einem Raum zeigt er uns antike Stücke, Vorlagen für Repliken. Auf Trödelmärkten wird er fündig. Oder Kunden bringen ihm Vorlagen, um Nachbauten zu bestellen. Er stellt lieber nach Kundenwünschen her, beschäftigt sich dabei mit den unterschiedlichen Verfahren. Auf die Frage, ob er auch Gläser nach eigenen Ideen fertigt, winkt er ab. „Es war alles schon mal da. Nach 5000 Jahren hat es auch Gläser in jeglicher Form schon gegeben.“

Er ist gut gelaunt und während er spricht, ist ihm anzumerken, dass seine Begeisterung ihn vor immer neue Aufgaben stellt. „Elf Monate läuft die Werkstatt durch, ohne Unterbrechung.“ Und auf unsere fragenden Blicke antwortet er: „Gleich beginnt meine zweite Schicht. Mein Sohn bestückt jetzt den Ofen und dann beginnt die Glasschmelze. Sand, Kalk, Pottasche und je nach Farbe das passende Metalloxid. Wir machen unser Glas selbst. Nachts um eins drehe ich als letzten Arbeitsgang die Temperatur hoch.“ Und mit einem Augenzwinkern schiebt er nach: „Im August ist frei.“

Und während in der Florianova Hut´ fiebernd versucht wird, rechtzeitig vor den Feiertagen alle Wünsche der Kunden zu erfüllen, bereitet sich Jiří Pačinek mit seinen Kollegen auf ein ganz besonderes Weihnachten vor. Dieses Jahr bekommt die Kirche in Kunratice eine Krippe. Maria und das Kind sind bereits fertig. Am Weihnachtsmorgen versammelt sich die Glasmacherfamilie vor den Öfen, um gemeinsam den Josef zu erschaffen, bevor später der Weihnachtsabend beginnt.

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Wir danken David Pastva für die freundliche Unterstützung sowie Jiří Pačinek, Jiří Haidl, Jakub Haidl und Petr Červený für die Spannenden Einblicke in ihr Handwerk.

In den nächsten Beiträgen über das Glas in Nordböhmen wird es um den Sprung der Glasherstellung in den weltweiten Kunstmarkt und die Innovationen auf dem Gebiet der Glasherstellung und die neuen Designs gehen, die inzwischen wieder in aller Welt sehr gefragt sind.