"Jaroslav, schaffst du fliegen?" oder Jaroslav Rudiš in Mittelherwigsdorf

"Jaroslav, schaffst du fliegen?" oder Jaroslav Rudiš in Mittelherwigsdorf

Kultur

Es ist Freitagabend, der 8. Dezember. Draußen liegt Schnee, es ist kalt und dunkel. Nicht die Prager Dunkelheit, voller Lichter, sondern so richtig schwarz in schwarz. Aber Mittelherwigsdorf ist ja auch nicht Prag, oder? Warum fange ich dann hier von Prag an. Nun... wir sind heute nicht zufällig in der Kulturfabrik Meda. Jaroslav Rudiš kommt heute hierher und mit ihm auch ein Stück Prag. Jaroslav Rudiš wird aus seinem neuesten Buch "Weihnachten in Prag" lesen.

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Es ist kurz nach sieben Uhr und der Saal und das angrenzende Restaurant füllen sich bereits mit Besuchern. Es ist ausverkauft. Die Leute essen und trinken eine Kleinigkeit und blättern in neu erworbenen Büchern. In weniger als einer halben Stunde soll die Lesung beginnen, aber wo ist derjenige, dem wir es zu verdanken haben, dass wir alle hier versammelt sind? Es gibt Stimmen, dass er sich verspäten wird - ja, ja, die Deutsche Bahn streikt heute, vielleicht hängt es damit zusammen, Jaroslav reist immer mit dem Zug. Kurz vor halb acht geht die Tür auf und der Autor betritt den Saal und geht auf bekannte Gesichter zu. Er trinkt ein Bier. Langsam bewegen sich die Leute in den Saal, wo er auch bald ankommt.

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In dem Saal ist angenehm dunkel, nur die Lampe auf dem Tisch, an dem Jaroslav mit seinen Büchern und seinem Bier sitzt, leuchtet. Er lobt den Geschmack des hiesigen Bieres und erzählt uns von seinem heutigen Abenteuer auf der Reise zwischen Bayern, wo er gestern eine Lesung hatte, und der Oberlausitz.

"Jaroslav, schaffst du fliegen?", hörte er heute die Frage von seiner Managerin. Richtig, der bekannte Fan der Bahnreise, ist zu uns geflogen.

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Der Saal verstummt und Jaroslav Rudiš beginnt mit der Lesung und irgendwie passt alles zusammen. Die Vorweihnachtszeit, die verschneite Natur, das Licht der Lampe und auch das Bier. Ein Teil von Weihnachten in Prag ist nach Mittelherwigsdorf gekommen. Irgendwie ist es hier so einfach so schön so gemütlich. Der Saal ist voller Menschen, jeder mit seinen eigenen Sorgen, Freuden und Geheimnissen. Jeder ist anders, jeder ist allein und doch können wir nur gemeinsam diese fast intime Atmosphäre bilden.

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Jaroslavs Vortrag ist schauspielerisch und gefühlvoll. Die Dynamik des Textes und seine meisterhaft komponierten Worte versetzen uns in den düsteren und stillen Weihnachtsabend in Prag. Ein Bahnhof, eine Straßenbahn, eine Kneipe, Erinnerungen und Geheimnisse. Wir werden zu Zuhörern einer magischen Geschichte über vier Fremde, die durch das leere und stille Prag wandern. Jeder mit seinen eigenen Sorgen, Freuden und Geheimnissen, genau wie wir hier im Saal.

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Die Gesamtstimmung des Buches wird getragen durch die Illustrationen von Jaromír 99. Als Jaroslav Rudiš uns diese Zeichnungen während der Lesung zeigt, sind sie allerdings nicht sehr gut sichtbar. Das macht nichts, denn ich glaube, dass das Buch nach dieser Lesung in den Bücherregalen der meisten Teilnehmer Platz findet. (Diese Annahme bestätigte sich am Ende der Veranstaltung, als sich - nicht nur wegen dieses Buches- eine Warteschlange bildet. Und dies eindeutig zu Recht.)

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Nachdem er einige Kapitel aus dem Weihnachtsbuch vorgelesen hat, stellt Jaroslav zwei weitere Bücher vor und liest aus ihnen. Ausgewählte Passagen und Jaroslavs Kommentare bringen das Publikum zum Lachen. Die Stimmung im Saal ist locker und heiter. Am Ende wünscht er uns ein frohes Weihnachtsfest und sagt: "Jatzt lasst uns ein Bier trinken", was das tut er dann auch. Aber ein Biergenuss in aller Ruhe ist es nicht. Smalltalk, Autogramme, Gruppenfotos, Händeschütteln. Obwohl sich seine Müdigkeit bemerkbar macht, verliert er nicht seine Freude an der Begegnung mit seinen Lesern. Bewundernswert, professionell.

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Der Saal leert sich, Jaroslav gibt die letzten Autogramme und es kehrt Ruhe ein. "Ich habe euch nicht vergessen, kann ich noch etwas essen?" fragt uns Jaroslav, der trotz seines vollen Programms Zeit für ein Interview für 3mag gefunden hat. Und wir danken ihm dafür. Es ist ein Interview über Weihnachten, Geheimnisse und Prag. Und hier ist es: