Echter Zirkus

Echter Zirkus

Kultur

»Eine fantastische Idee und Erfolgsgeschichte, nun mit ungewisser Zukunft «

Jedes Jahr im Winter, wenn die Anmeldungen für das Sommerzirkuslager – auch bekannt als Cyrkus im Sommer – freigegeben werden, sind die Plätze innerhalb von zwei, höchstens drei Stunden ausgebucht. Kein Wunder, der Preis ist sehr attraktiv. Außerdem fand das Sommerlager schon immer an schönen Orten statt – beispielsweise in Radzimów, in Wolimierz und in den letzten Jahren dann im Kühlhaus Görlitz. Aber vor allem ist es der gute Ruf, nochmals, der gute Ruf und die Qualität ist der Grund für die Beliebtheit. 

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© Jacek Rydecki

Ich kann über dieses Phänomen nicht mit journalistischer Objektivität schreiben, denn ich bin selbst ein Teil der „Zirkusfamilie“. Ich war als Projektpartner und Instrukteur tätig, und nun nehmen meine drei Töchter aktiv an den Aktivitäten teil – neben zweihundert anderen Kindern aus der Umgebung von Görlitz und Zgorzelec, die von September bis Mai als Projekt in der Schule und eben während des Sommers Akrobatik, Jonglage, Clownerie, Musik und andere Zirkuskünste trainieren. Und seit fast zwanzig Jahren funktioniert der „Cyrkus“ – ein deutsch-polnischer Neologismus, der als offizieller Name dient – im Bereich der internationalen Zirkuspädagogik.

Es begann mit Sommerprojekten, dann folgten der „Cyrkus im Laden“ und schließlich der „Cyrkus im Koffer“, eine mobile Version, die verschiedene Veranstaltungen in der Region bespielt. An Stelle der Instrukteure leiten heute Absolventen der Zirkusschulen die Kurse. Im Rahmen des symbolischen „Cyrkus im Laden“ treffen sich Kinder von beiden Seiten der Grenze zu wöchentlichen Aktivitäten. Dieser symbolische „Laden“, wechselte an an unterschiedliche Orte auf beiden Seiten der Neiße und wurde 2024 durch das „Cyrkus-DOMicil“ abgelöst. Dank großer Anstrengungen konnte die ehemalige Kantine der Waggonbau Görlitz in ein Zentrum für Zirkuskunst und -pädagogik umgewandelt werden. Im September 2024 fand ein Zirkusfestival statt, das diese Räumlichkeiten feierlich eröffnete. Im Dezember füllte dann die gesamte Zirkusfamilie das Görlitzer Theater für die jährliche Weihnachtsaufführung.

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© Jacek Rydecki

Und damit enden die guten Nachrichten und der nie enden wollende ”Kindertag”, der viele Jahreandauerte. Der Verein Kulturbrücken steht vor einer Krise, und sechs festangestellte sowie dreizehn freiberufliche Mitarbeiter stehen vor einem nun sehr erwachsenen wirtschaftlichen Dilemma. Von den Bühnen und in die unendlichen Weiten des Internets strömen Appelle um Unterstützung in Form von Spenden – was aus dem Mund des unglaublich lustigen Zeremonienmeisters, dem Vaters des Zirkuschaos, dem unbezwingbaren Valentin, fast unglaublich klingt. Und was haben sie mit dem echten Valentin gemacht? Wer hat Valentin ausgetauscht? 

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© Jacek Rydecki

Während der letzten Aufführung (dreimal über die linke Schulter gespuckt!) im Theater, antwortete, nach Valentins melancholischer Moderation auf Deutsch, die polnische Moderatorin aus dem Off in der weltlichen Tradition des schwarzen Humors: „Valentin, du bist gefeuert!“ Niemand lachte – insbesondere nicht der deutsche Teil des Publikums (weil sie es nicht verstanden). Danach folgte noch ein beruhigendes: „Es wird schon nicht so schlimm werden…“

Die Situation ist jedoch tatsächlich nicht zum Lachen. Kulturbrücken informiert, dass der Grund dafür die Nichtverabschiedung der Haushaltspläne für das Jahr 2025 durch den Freistaat Sachsen ist. Deshalb ist es nicht möglich, offizielle Informationen über die Höhe der bewilligten Mittel zu erhalten, geschweige denn eine Bestätigung, ob überhaupt Mittel bewilligt werden. Auch die Förderer kürzen die Beträge. Es herrscht Krisenstimmung. Aber vor allem ist nicht es die lähmende Ungewissheit. Derweile wollte man die Kinder einladen und Vorbereitungen treffen.

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© Jacek Rydecki

Als Vater, der seine Kinder zum Zirkusunterricht schickt, habe ich mich über die niedrigen Gebühren gefreut. Aber wie der Verein uns mitteilt, liegt der tatsächliche Preis für einen Monat, der alle Kosten abdeckt, bei etwa 100 Euro pro Person. Das ändert die Situation ein wenig. Ein bisschen – denn am Ende sollte jemand diese Kosten tragen. Das Glück der Kinder ist doch nicht kalkulierbar.

Eine schöne Überraschung in diesem Dilemma, die Kinder organisieren sich selbst, wollen Auftritte auf der Straße machen, um Geld für die Aktion zu sammeln. Die erfahrensten Gruppen, mit abstrakt klingenden Namen wie Lama Kolan oder Pyjama Banana, die keine Übersetzung brauchen, sind schon fast Profis. In all den Jahren sind mehrere hundert solcher Kinder aus dem Zirkus hervorgegangen.

Über die positiven Aspekte der Zirkuspädagogik – psychisch, physisch und weitere – könnte man lange reden, aber wer schon einmal lächelnde und super geschickte Kinder auf einer Zirkusbühne gesehen hat, dem ist es klar. Ganz zu schweigen davon, dass es sich um eines der wenigen wirklich funktionierenden, von Grund aufgebautes deutsch-polnischen Projekte handelt.

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© Jacek Rydecki

Aus den eingehenden Informationen – ob globalen oder lokalen – geht hervor, dass der Fall Cyrkus in Sachsen nur die Spitze des Eisbergs ist. In Polen gab es Geld für Kultur noch nie im Überfluss. Politik gewinnt über die Kunst? Ist das der Schluss dieser schönen Geschichte? Was tun? Kennt ihr vielleicht einen reichen Mäzen? Oder möchtet ihr vielleicht selbst ein paar Münzen beisteuern?

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