Die Bewegung unserer Seelen

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Kultur

»Interview mit Čeněk Svoboda über Andreas Hammerschmidt und die Liebe zur Musik«

„Wenn wir nach Zittau fahren, dann ist es immer etwas ganz Besonderes. Wir treffen uns mit Freunden, nicht nur mit Musikkollegen. Und speziell vor dem Fastentuch zu spielen. Wir hatten da viele schöne Konzerte. Diese Atmosphäre, auch mit dem Friedhof und der Kirche, das ist etwas Besonderes.“ Das erfahren wir gleich zu Beginn unseres Interviews von Čeněk Svoboda.

 

Wir trafen den Musiker, um mit ihm über den bevorstehenden Auftritt des Ensembles Madrigalion Praga bei der Hammerschmidt-Ehrung in Zittau und seine außergewöhnliche Beziehung zur Musik zu sprechen. Und wir trafen ihn dort, wo seine Karriere als Musiker in den frühen 1990er Jahren begann, im Gymnasium F. X. Šaldy in Liberec. 

 

„1991 hatten wir die Freiheit, etwas Neues zu tun. Wir hatten einen ganz guten Chor, was die Atmosphäre betrifft. Da waren die Studenten mit den Lehrern zusammen, das ist außergewöhnlich. Da waren etwa 8 Lehrer und 8 Studenten zusammen und wir haben Jazz gespielt und Populärmusik, aber auch klassische Musik gemacht und da hat das angefangen. Ja, und ich bin so ein bisschen ein Self-Made-Man. Also ich bin selber zu der Musik gekommen. Ich hatte die Grundlage mit der Geige und Singen, aber dann habe ich Ökonomie studiert, was ich nicht beendet habe. Und bin dann nach Prag für die Musik gegangen, da habe ich Chorleitung und Musiklehrer studiert.“

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Alles, was Čeněk Svoboda weiter gemacht hat, ließ ihn immer enger mit der Musik und da besonders mit der Alten Musik verschmelzen. Von 2004 bis 2016 war er künstlicher Leiter des Ensembles Collegium 419. Im Jahr 2018 gründete er das Ensemble Madrigalion Praga, das sich auf Musik der Spätrenaissance und des Frühbarocks konzentriert. Er ist eines der Gründungsmitglieder und immer noch Stammmitglied des Collegium Vocale 1704. Er arbeitete mit dem Ensemble für Alte Musik Musica Florea, dem Collegium Marianum, dem Dresdner Kammerchor und vielen anderen mehr zusammen. „Ich hatte Glück und traf die richtigen Leute. Es hängt immer an den Menschen. Und so führte mich mein Weg zur Alten Musik.“ 

 

Heute ist Čeněk Svoboda eine Koryphäe für Alte Musik, hat sich weit über die Grenzen seiner Heimat einen Namen als Tenor und Solist gemacht, tritt international mit renommierten Ensembles auf. Zurzeit unterrichtet er auch Musikästhetik und -geschichte an der Karls-Universität Prag. In seiner Dissertation setzte er sich mit dem Thema der authentischen Interpretation alter Vokalmusik auseinander. Zudem lehrt er als Chorleiter und leitet das Liberecer Studentenensemble Cum decore an der F.X. Šalda und begeistert Schüler für Alte Musik.

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Und während er den Bogen von Liberec nach Prag und nach Europa schlägt, ist er auch bereits mittendrin, beschreibt mit leuchtenden Augen die Anfänge des modernen Liedes in Florenz. „Ich erzähle jetzt den Studenten, dass eigentlich die Musik, die wir heute als Musik verstehen, hat im 16. Jahrhunderte angefangen. Die Musik vorher, das war eine andere Welt. Wenn man zum Beispiel ein Liederbuch nimmt und sitzt hinter dem Klavier und spielt und begleitet sich mit Akkorden und singt, das ist eigentlich genau das, was haben die Komponisten gemacht um 1600. Also, das ist schon unsere Musik, so verstehen wir Musik. Also, wir begleiten eine Melodie mit ein paar Akkorden, mit Gitarre und mit Klavier."

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Als wären wir nicht längst im Bann seiner Worte, spricht er weiter über die Faszination Alter Musik, die Bedeutung der Musik für sein Leben und es fällt nicht schwer zu erahnen, wie sich seine Leidenschaft auf Jugendliche überträgt. „Es sind viele Sorten von Alter Musik. Man kann nicht eine einfache Antwort geben. Aber lassen Sie mich das mit Johann Sebastian Bach und seinem musikalischen Universum beschreiben. Das kann Bach am besten von allen, also die himmlische Ordnung zeigen. Es klingt und sieht zunächst ein bisschen rationell aus, aber es gibt ein Gleichgewicht zwischen Rationalität und Emotionalität. Obwohl wir sehen, mit unseren Vorstellungen von Emotionalität, sehen wir nicht so gut die Emotionalität, aber die ist da. Am Anfang hat man ein Wort und in dem Wort ist ein Inhalt. Und dieser Inhalt beeinflusst unsere Emotionen. Dieser Inhalt von dem Wort, was wir verstehen in dem Wort, das hat einen Einfluss auf unsere Emotionalität. Die Italiener sagen, affetto dell'animo, Bewegung unserer Seelen.“

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„Andreas Hammerschmidt ist einer der Komponisten, der diese um 1600 in Italien aufkommende neue Art der Musik in seinem Schaffen aufgreift, die Monodia, dieser solistische Gesang mit akkordischer Instrumentalbegleitung. Er war einer der Komponisten des Barock. Heinrich Schütz war ein bisschen wichtiger, hatte einen größeren Einfluss und hatte sehr viel mehr Geschwindigkeit. Aber Hammerschmidt ist eigentlich sein kleiner Bruder. Also er hat fast das Gleiche gemacht, aber nicht in einem so großen Rahmen wie Heinrich Schütz. Und er gehört zu dieser Region.“

 

„Also Halle hat Händel, Leipzig hat Bach, Dresden hat Schütz und Zittau hat Hammerschmidt. So ist es einfach.“

 

„Und dazu kommt, Hammerschmidt benutzt schon die deutsche Sprache, also meistens. Denn, um es ehrlich zu sagen, die deutsche Sprache ist nicht die beste Sprache für das Singen. Sie hat viele Konsonanten und auch die deutschen Stimmen, die liegen tief in dem Hals, wenn man das vergleicht mit der italienischen Sprache. Die deutsche Sprache ist mehr eine Sprechsprache. Und diese Komponisten, Heinrich Schütz oder Johann Sebastian Bach, aber auch Andreas Hammersmith, die haben geglaubt, dass trotzdem die deutsche Sprache irgendwie gut für Gesang ist. Und das war aber nicht selbstverständlich."

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In diesem Jahr werden zur Hammerschmidt Ehrung Vertonungen des Hohelieds Salomos von Andreas Hammerschmidt und von Orlando di Lasso erklingen. „Ich habe schon mit Stanislav Janáček diese Hammerschnitt-Ehrung gemacht. Wir versuchen immer Hammerschmidtmusik in einen Kontext zu setzen. Weil, wenn das nur Hammerschmidt-Musik sein würde, wäre das so ein bisschen kompliziert. Jedes Jahr nur Hammerschmidt-Musik. Es ist für unser heutiges Publikum die Musik ein bisschen zu weit weg. Aber wenn man das in einen Kontext setzt, zum Beispiel mit Heinrich Schütz oder Johann Hermann Schein, oder diesmal mit Orlando de Lasso, dann macht das ein bisschen interessanter.“

 

„Also okay, warum Orlando di Lasso? Nun, dieser Komponisten gehört in diese Zeit und irgendwie kann man die Musik vergleichen. Und er ist irgendwie ein Urgroßvater der deutschen Musik, obwohl er in Mons, Belgien, geboren ist und seinen italienischen Namen hat er in Italien erhalten. Aber letztendlich war er in München und da hat er beim Bayerischen Kurfürsten gearbeitet. Viele deutsche Leute sagen, dass er eigentlich der Vater der deutschen Musik ist. Orlando di Lasso hat die ganze Generation von diesen frühen barocken Komponisten beeinflusst.

Wir sprechen über die Grenze zwischen Renaissance- und Barock-Musik. Es besteht ein Kontrast zwischen den beiden Komponisten. Aber die Idee, die das vereinigen wird, ist das Hohelied Salomos. Also die Musik, die Texte aus dem Alten Testament. Das Hohelied des Salomon ist ja auch ein ganz interessanter Text. Das sind eigentlich fast die schönsten Liebesgedichte. Mann und Frau besingen abwechselnd ihre Liebe zueinander. Und das ist zugleich auch das Allerweltlichste, was in der Bibel zu finden ist. Und trotzdem wurde immer ein Weg gefunden, die Texte im Alten Testament zu belassen.“

Schön!

Soll ich jetzt was singen oder so?

 

 

Vielen Dank für das heitere Interview. Wir freuen uns mit Čeněk Svoboda auf die kommenden Konzerte.