Lípa Musica ist ein internationales Musikfestival, das seit mehr als zwanzig Jahren regelmäßig vergessene Winkel Nordböhmens und der nahen sächsischen Grenzregion wiederbelebt. Das Festival wird von einem Kollektiv begeisterter Menschen geleitet, die davon überzeugt sind, dass das Grenzland nicht entwurzelt und unkultiviert sein muss. Im Gegenteil, sie bringen das Beste hierher, was die tschechische und internationale Szene an klassischer und nicht-klassischer Musik zu bieten hat.
Lípa Musica findet vom 6.9. bis 15.11.2024 statt. Vollständiges Programm unter www.lipamusica.cz

In Česká Lípa, einer Region, die durch einen kompletten Bevölkerungswechsel nach dem Krieg gekennzeichnet, durch den Uranabbau umgegraben ist und die manche als Peripherie bezeichnen würden, entstand ein zunächst bescheidenes Festival für geistliche Musik. Daraus entwickelte sich bald Lípa Musica, das nach und nach in- und ausländische Stars der klassischen Musik in die Region brachte. Nach Jahrzehnten des Bestehens begrüßte das Festival im böhmischen Norden die Tschechische Philharmonie mit Semyon Byčkov, hörte die Operndiva Magdalena Kožená singen, den Hornist Radek Baborák spielen, sowie es unlängst auf die Route der Europa-Tournee von Grammy-Gewinnerin Joyce DiDonato gelangte.

Das Festival ist an vielen Adressen in Nordböhmen zu Hause, es findet in den größten örtlichen Sälen, Schlössern, Theatern und sogar in den vergessensten Landkirchen statt. Doch seit einigen Jahren präsentiert das Festival besondere Spezialitäten seines Programms auch in der nahen sächsischen Grenzregion, in der historischen Stadt Zittau, im malerischen Oybin oder in Waltersdorf auf der deutschen Seite des Lausitzer Gebirges. Das Festival und seine Macher hören nicht auf zu träumen, und in diesem Jahr wollen sie einige dieser Träume wahr werden lassen. Versucht dabei zu sein! Dieses Festival findet zwar in der Peripherie statt, aber seine Schauplätze sind alle auf der Landkarte zu finden und deren Authentizität und das Malerische werden euch nicht nur einmal den Atem rauben.

Das diesjährige Festivalprogramm ist sowohl traditionell als auch progressiv. Im Jahr der tschechischen Musik stützt es sich zum Teil auf heimische Größen, und kann natürlich den zweihundertsten Geburtstag von Bedřich Smetana und die Jubiläen von Janáček und Dvořák nicht missen, aber gleichzeitig sucht und findet es auch unentdeckte Interpreten sowie neue, alternative Vertreter des klassischen Repertoires.

Sehen wir uns einige der Höhepunkte näher an.

Das Eröffnungskonzert der 23. Ausgabe von Lípa Musica gehört ganz Bedřich Smetana. Die Brünner Philharmoniker werden unter der Leitung von Dennis Russel Davies den gesamten sinfonischen Zyklus Mein Land an einem Abend aufführen. Ein ehrgeiziges Unterfangen für das Festival in Nordböhmen.

In unserer Region fehlt es an großen Konzertsälen, aber von Zeit zu Zeit gönnen wir uns gerne mal das Erlebnis eines großen Sinfonieorchesters im Norden, erklärt Martin Prokeš.

Adam Plachetka wird das Publikum in Nový Bor davon überzeugen, dass auch ein sehr traditionelles Repertoire etwas völlig Neues bringen kann. In Zusammenarbeit mit dem Alinde-Quintett hat er eine Vertonung der Bibellieder von Dvořák vorbereitet. Durch die Instrumentierung für Bläserquintett handelt es sich um eine Weltpremiere. Neben Dvořák stehen auch Josef Bohuslav Foerster und Suks Meditation zum Heiligen Wenzel Choral auf dem Programm, ebenfalls für Bläserquintett arrangiert von Kryštof Koska, dem Hornisten des jungen Ensembles, der erfolgreich auf internationalen Bühnen unterwegs ist.

Und weil es nie genug Premieren geben kann, wird das Publikum etwas zu hören bekommen, was noch niemand zuvor gehört hat. In der Werkstatt der progressiven, anerkannten Komponistin und Performerin Beata Hlavenková entsteht derzeit ein brandneues Werk namens Monodie 2.0. In einem einzigartigen Projekt, das von Nick Cave inspiriert ist, trifft sich eine ebenso einzigartige Gruppe von Musikern in den Räumen von Semilys Fabrika 1861. Gemeinsam mit Beata Hlavenková werden Vojtěch Nýdl, Martin Prokeš, Kirill Yakovlev und Oskar Török auftreten. Zu ihnen gesellt sich das Pavel Bořkovec Quartett, dessen Bratschist Matěj Kroupa für das musikalische Arrangement von Monodie 2.0 verantwortlich ist.

Das Projekt der jungen Pianistin und Komponistin Nikol Bóková verdient es aus vielen Gründen, aus dem diesjährigen dicht gedrängten Programm hervorgehoben zu werden. Die Liste dieser Gründe beginnt mit dem Veranstaltungsort: Das Konzert findet in Seifhennersdorf, Deutschland, statt, dem Ort, an dem Bechstein-Klaviere hergestellt werden. Im dortigen Klaviersaal, der den mehrdeutigen Namen Vielharmonie trägt, erklingen sowohl Werke von Franz Liszt in der Interpretation von Bóková, als auch ihre eigenen Kompositionen. Nikol Bóková gilt als aufstrebende Komponistin und wir werden in den kommenden Jahren sicher noch viel von ihr hören. Es lohnt sich, dabei zu sein, wenn dieser zukünftige Star seinen Aufstieg antritt.

Für was lohnt es sich sonst noch, in den Norden Tschechiens zu fahren? Wer das Glück hat, zum Abschlusskonzert zu gelangen, wird hier den Meister aller Meister gespielt von Meistern aller Meister hören. Die gesamten Brandenburgischen Konzerte von Bach werden in Liberec von der Akademie für alte Musik Berlin aufgeführt. Und es wird ein wahrhaft großes musikalisches Fest sein.

Sie können von Anfang September bis Mitte November bei Lípa Musica rund zwei Dutzend üppige, aber auch intime musikalische Feste erleben. Wählen Sie einfach aus, ob Sie sich eher für die Renaissance, Janáček, etwas modernes, ausgelassene Kammermusik oder spirituelle Meditation interessieren. Nicht zuletzt können aber auch die Veranstaltungsorte der Konzerte Ihre Wahl bestimmen. Sie können hochkarätige Musik dort erleben, wo Sie sie am wenigsten erwarten würden. Dies ist auch die Philosophie des Festivals Lípa Musica.

Vollständiges Programm unter: https://3mag.eu/de/festivals/lipa-musica